[2017-07-03 MEIN] „O, ein Renaissanceschloss“, meinte Thore aus der 7 D beim ersten Blick auf die Wewelsburg. Obwohl die Stadt Siegen und die Burg bei Büren zum Erzbistum Paderborn gehören, besuchen Siegener Schulen nicht oft diesen Ort, der vor allem durch seine Geschichte aus dem letzten Jahrhundert bekannt ist.
In den Jahren 1933 bis 1945 plante Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, die Burg als zentrale Versammlungsstätte der Schutzstaffel. Um sie für seine Zwecke auszubauen, wurde in Niederhagen-Wewelsburg ein Nebenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen errichtet, in dem fast 1300 Menschen, etwa ein Drittel der Häftlinge, vor allem durch Hunger und unvorstellbar harte Arbeit im Steinbruch und beim Bau der Burg getötet wurden.
Nach jahrzehntelanger Verdrängung des Terrors entschied man sich in den 1980er Jahren für die Errichtung einer Gedenkstätte im ehemaligen Wachgebäude. Neben der Geschichte der Täter und Opfer erfährt man hier vieles über Mitwisser und Mitläufer, Lebenswege und Beweggründe sowie über das Verhalten und die Lebensumstände der Täter und vor allem der Opfer nach 1945. (Bild: Gedenkstätte)
Am 3. Juli öffneten Katharina Dehlinger, Diplom-Kulturpädagogin, Monne Lentz, Trainerin in ziviler und gewaltfreier Konfliktbearbeitung sowie Museumspädagogin Agnes Ising trotz des eigentlichen Ruhetages unseren Siebtklässlern die Pforten der Gedenkstätte für einen gemeinsamen intensiven Arbeitstag.
Für Jugendliche haben die Museumspädagogen sich ein sehr modernes Bildungskonzept einfallen lassen. Aus dem breiten Spektrum der Führungen und Seminare wählten sie in gemeinsamer Absprache mit GL-Lehrerin Pia Heinemann Themen aus, die den Interessen und dem Alter der Schüler entsprechen.
Zu Beginn des Studientages dachte die Gruppe darüber nach, welche Werte in unserem Alltag eine Rolle spielen und welche für uns besonders wichtig sind. Neben dem Wunsch nach einem Leben in Gesundheit und Freiheit und nach Zusammenhalt mit Freunden und Familien entspann sich eine lebhafte Diskussion über die Bedeutung und Gefahren des Handys.
Anschließend stiegen die Jugendlichen sechs Stockwerke hinab in den ehemaligen Fechtkeller, um ausgewählte Museumsobjekte intensiv zu betrachten und zu analysieren. Über allem stand die Frage, wie diskriminierendes und rassistisches Handeln sich auf Täter, Opfer und Zuschauer auswirkt.
Was bedeutet Würde? Wie funktionieren Mechanismen der Entwürdigung?
Beim Betrachten eines Fotos versetzten sich die Jugendlichen in die Rollen und Gefühle der beteiligten Personen: „Mir ist jetzt richtig klar geworden, dass die Juden und die anderen von den Nazis Verfolgten in schrecklicher Angst gelebt haben müssen!“ (Hanna)
„Gemeinschaft“ ist ein janusköpfiger Begriff, wurde der ersten Schülergruppe klar, als sie über ausgrenzende Situationen nachdachte und diese in Standbildern nachstellte. Die Zuschauer wurden nach dem Konzept des Forumtheaters von A. Boal gebeten, das Standbild durch aktives Eingreifen zu verändern. Durch einfaches Ins-Bild-Treten oder eine kleine Berührung veränderte sich die ursprüngliche Situation schlagartig. Aggressive Gesten und Haltungen sackten förmlich in sich zusammen, zusammengekrümmte Gestalten richteten sich auf, Anspannung fiel ab – die Jugendlichen staunten, was man bei genauem Hinschauen wahrnimmt – und wie man durch couragiertes Handeln Konflikte lösen kann.
Die zweite Gruppe untersuchte Mechanismen der Propaganda. Dazu sichtete sie aktuelle Tageszeitungen mit Blick auf Themen, in denen Ausgrenzung eine Rolle spielt. Im Anschluss daran meinte Noel: „Mir ist heute der Wert der Pressefreiheit sehr bewusst geworden. Zeitungsartikel muss man nicht nur genau, sondern vor allem auch kritisch lesen.“
Für die 7 D war der Besuch der Gedenkstätte kein einfacher Tagesausflug, sondern intensives Lernen an einem besonderen Ort. Alle wünschten sich sehr, die Burg besser kennenzulernen, tiefer in die Themen einzudringen, mehr Zeit zu haben, um sich die gesamte Ausstellung anzusehen und das ehemalige Gelände des Konzentrationslagers zu besuchen.
Sobald im 9. Jahrgang mehr Wissen über den Nationalsozialismus und die heutigen Neonazis vorliegt, könnte ein mehrtägiger Besuch der Wewelsburg alle diese Wünsche erfüllen:
Wohnen in der Jugendherberge im Inneren der Burg, Erarbeitung von Themen für Schüler ab 15 Jahren, Gewinnen einer klaren Haltung zu Werten und Würde.
„Wer heutzutage seine menschenverachtende Gesinnung in Wewelsburg zur Schau tragen will, wird des Platzes verwiesen.“ – eine Regel, die man überall beachten sollte.