Besuch am Ivan-Trush-Gymnasium in Brody/Ukraine
[2017-04-20 JÜNG] Was verbindet den deutschen Literaten Joseph Roth (1894-1939) mit der Gesamtschule Eiserfeld? Nun, zunächst gehörte sein Werk „Hiob“ im letzten Jahr für alle Abiturienten zum Pflichtkanon ihrer Prüfungen. Und weiter? Um genau das und sehr viel mehr herauszufinden …
… und obendrein eine tragfähige Schulpartnerschaft vorzubereiten, machte sich eine Delegation der GEE kurz vor und in den Osterferien auf den fünfzehnstündigen Weg ins ukrainische Brody. Dort wurden die Vier nicht nur äußerst herzlich empfangen, sondern in vielen Gesprächen mit Schulleitung, Kollegium und Schülern über das vergangene und derzeitige Schulleben und die oft nicht einfache Alltagsrealität ausführlich informiert. Abgerundet wurde das erste Kennenlernen beider Seiten mit gemeinsamen Besuchen in Lviv (Lemberg) und den Karpaten.
Zurück zu Joseph Roth. Bis zu seinem Abitur 1913 war er Schüler des altehrwürdigen k. & k.-Kronprinz-Rudolf-Gymnasiums in Brody. So hieß das heutige Gymnasium im damalig österreichischen Ostgalizien. Ein jüdisches Schtetl par excellence, knapp 20000 Einwohner, die meisten davon gingen zur Synagoge. Unterrichtssprache war bis 1913 Deutsch, so oft auch das Denken und Fühlen vieler jüdischer Bewohner, wie etwa Joseph Roth. Bis 1941 – da endete unter den Gewehrsalven von Wehrmacht und SS das jüdische Leben in Brody für immer. Geblieben sind der jüdische Friedhof, die Ruine der Großen Synagoge und einige kaum gekennzeichnete Massengräber.
Man hat jetzt andere Sorgen. Der Krieg im Osten ist 1300 km entfernt, aber in den Köpfen der Menschen stets gegenwärtig. Unsere Gespräche drehen sich um kürzlich Gefallene aus Familie und Nachbarschaft, um Spenden für die örtliche Armee, leere Staatskassen, den angemessenen Umgang mit russischen Schwiegermüttern von Kollegen oder den ukrainischen Ehemännern, die in Moskau ihr Geld verdienen. Schwierige Zeiten. Wie schwierig, vermögen wir nur ansatzweise zu erahnen.
Wirklich beeindruckt hat uns aber, wie unsere Gastgeber mit all den Problemen umgehen. Wie offen sie darüber reden, Differenzen untereinander nicht verschweigen, aber auch nicht diffamieren. Wie sehr sie das von ihnen trotz allem Erreichte mit verhaltenem Stolz zeigen. Wie sie mit dem Wenigen haushalten, es möglichst effektiv einsetzen: nicht die kärgliche naturwissenschaftliche Sammlung steht im Zentrum, sondern welche unterrichtliche Qualität damit im Chemieunterricht trotzdem möglich ist. Und – wie gut die Deutschkenntnisse der Schüler sind!
Beim Abendessen mit Kollegen, Bürgermeister und Kreisdirektor wird deutlich, was sie aufrecht hält und eines ihrer wesentlichsten Ziele ist: der geografische Mittelpunkt Europas liege in ihrem Land, im Karpatenvorland, und da wollen sie uns hinführen. Unser Aufstieg auf einen der Zwillingsberge in Transkarpatien dauert angesichts des hohen Schnees länger als geplant. Den Mittelpunkt haben wir nicht mehr gesehen, aber die Botschaft verstanden.
Es lohnt sich aus vielerlei Gründen, mit dieser Schule eine Partnerschaft zu planen und Schülergruppen auszutauschen. Wie, das wird beim Gegenbesuch im September gemeinsam weiter geplant. Wir freuen uns darauf!