„Dann werden wir zusammen sein“ – Zeitzeuginnenbericht zum Holocaust-Gedenktag

[FUNK, CONR 31-01-2025] Auch in diesem Jahr nahmen wir mit der ganzen Q1, Klassen aus der 10 und weiteren Gruppen an der vom Kreisjugendring Siegen-Wittgenstein organisierten Veranstaltung „Gedenken im Wohnzimmer“ im Rahmen des internationalen Holocaustgedenktages am 27. Januar teil. Geplant war ein digitales Zeitzeugengespräch mit der Holocaust-Überlebenden Halina Birenbaum mit anschließendem Austausch. Zugeschaltet waren neben vielen Siegener Schulen auch vier Schulen aus Israel. Leider war Frau Birenbaum an dem Tag erkrankt, so dass ihre Erinnerungen über ein Video an die Jugendlichen vermittelt wurden und ein persönlicher Austausch nicht möglich war – was die inhaltliche Kraft des Vortrages aber nicht minderte, wie die Reaktionen vieler Schüler:innen zeigten.

Ihre Lebensgeschichte bietet einen sehr persönlichen Einblick in deutsche Geschichte: Warschauer Ghetto, KZ Lublin-Majdanek, KZ Auschwitz-Birkenau, KZ Ravensbrück, KZ Neustadt-Glewe und zuletzt die Befreiung durch die Rote Armee.

Frau Birenbaum erlebte mit ihrer Familie den deutschen Angriff auf Warschau, der eine kaum zu fassende Leidenszeit nach sich zog. Ständige Angst vor Bombenangriffen, der deutsche Einmarsch, Wohnungs- und Nahrungsnot bestimmten schnell das Leben ihrer Familie. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen gab es schnell Gerüchte über ein jüdisches Ghetto – in Frau Birenbaums Erinnerung von der Mutter fast freudig erwartet („Dann werden wir zusammen leben“).

Ein Wort, das ihr Leben in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmte, war „Selektion“ – erst wurden arbeitsfähiger Juden ausgewählt und verschleppt,  später diente das Ghetto als Sammellager für die Deportation der Juden in die Vernichtungslager – zusammengepfercht in luft- und lichtlosen Waggons. Auch Frau Birenbaum und ihre Familie wurden in die oben genannten Lager deportiert und erlebten dort wieder Selektion, das Leben in den Baracken, von der SS provozierte Konflikte unter den Juden durch Nahrungsmittelverknappung, ständige Bestrafungen und Ermordungen. Eindringlich schilderte Frau Birenbaum Begebungen, die sie fast das Leben gekostet hätten: Einmal wäre sie fast zur Deportation ausgewählt worden, weil sie aufgrund eines abgebrochenen Schuhabsatzes hinkte, im KZ Lublin musste sie mit ihrer Cousine Hela (ihre „Ersatzmutter“, nachdem sie diese verloren hatte) stundenlang nackt in einer Vernichtungskammer ausharren – überlebt hat sie nur, weil kein Gas vorrätig war. Im KZ Auschwitz-Birkenau geschah Unglaubliches: Eigentlich vom Lagerarzt Mengele durch Selektion getrennt, interveniert sie beim stellvertretenden Lagerkommandanten und erreicht tatsächlich, dass sie mit Hela zusammenbleiben konnte.

Halina Birenbaum überlebte eine Schusswunde, den Kolonnenmarsch nach der Räumung des Lagers angesichts der heranrückenden Armee und erreicht nach vielen Irrungen wieder Warschau. Sie wird politisch tätig und wandert schließlich 1947 in den neugegründeten Staat Israel aus.

Besonders eindrücklich war das Ende ihres Vortrages: Trotz all ihrer Erlebnisse ist sie der Ansicht, dass in jedem „bösen Menschen“ etwas Gutes steckt – andersherum können aber auch Situationen entstehen, die auch den „besten Menschen“ herausfordern und zum Schlechten verleiten. Sie entließ die Jugendlichen deshalb mit dem Satz „Ein freundliches Wort kann einen Menschen retten“ und wünschte allen Zuhörer:innen viel Kraft, um gute Entscheidungen im Leben treffen zu können. Dem können wir uns nur anschließen und dankbar sein, angesichts der heutigen politischen Umstände die Chance bekommen zu haben zu erfahren, in welches Elend schlechte Entscheidungen einer eigentlich modernen Gesellschaft führen können.