[09-07-2024 MEIN] Während in der Ukraine die Landesgeschichte und internationale Geschichte in zwei getrennten Fächern unterrichtet werden, ist das Fach Geschichte bei uns bis zur 10. Klasse ein integrierter Teil der Gesellschaftswissenschaften. Die Schülerinnen und Schüler des Deutsch-Förderkurses 9 und 10 begaben sich auf zwei Erkundungsfahrten nach Bonn und Wetzlar.
Am 24.April nutzten sie einen unterrichtsfreien Tag, um unsere ehemalige Bundeshauptstadt kennenzulernen. Am Morgen fuhren sie mit der U-Bahn im Keller des Hauses der Geschichte ein, wo sie die alte Mercedes-Staatslimousine und den Sonderzug der Regierung bestaunen konnten. Anschließend ging es von den Trümmern des Zweiten Weltkrieges und der Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten zur Besatzungszeit und Teilung Deutschlands und zum Rosinenbomber der Berliner Luftbrücke. Zeugen des Wirtschaftswunders der 50er Jahre waren die boomende Autoindustrie mit VW-Käfer und Isetta, von Waren überhäufte Schaufenster, Milchbar und Petticoat-Kleider. Man konnte sich als Mitglied des Parlaments in die Hinterbänke setzen oder an das Rednerpult stellen.
Neben den vielen schönen Seiten dieser Zeit fiel den ukrainischen Schülerinnen und Schülern das schwierige Verhältnis der Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg auf: Der sowjetische Panzer vom 17. Juni 1953, der ungarische Freiheitskampf von 1956, der Bau der Berliner Mauer 1961, die Kuba-Krise 1962, die sowjetische Invasion der Tschechoslowakei 1968 ließen eine Ahnung aufkommen, wie schwer es war und immer noch ist, in Frieden miteinander zu leben.
Dem Museumsbesuch folgte eine Fahrt mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof und zu MacDonalds. Wenn Artur augenzwinkernd meinte, das würde ihn an seine Kiewer U-Bahn erinnern, so muss man wissen, dass in Kiew der U-Bahnhof Arsenalna 105 m unter der Erde liegt und dass eine einzige Rolltreppe 65 Höhenmeter überwindet. Da kann die ehemalige Bundeshauptstadt nicht mithalten. Nach einem Rundgang durch Bonn, Spaziergängen am Rheinufer und durch die Parks ging es in fröhlicher Stimmung zurück nach Siegen.
Beim Ausflug nach Wetzlar am 19. Juni gab es leider keine Rolltreppe, aber ähnlich viele Stufen wie in der Kiewer U-Bahn, die nur mit eigener Muskelkraft und mit guter Kondition zu überwinden waren.
Im Mittelpunkt stand Charlotte Buffs weißes Ballkleid mit rosa Schleifen. Vor 250 Jahren schrieb Goethe mit seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ Literaturgeschichte. Im Anschluss an die Biografie Goethes und seine frühen Gedichte hatte die Gruppe im Deutschunterricht über den Roman gesprochen. Im Lottehaus sind nicht nur die Wohnräume aus der damaligen Zeit zu sehen, sondern auch frühe Ausgaben und zahlreiche Übersetzungen des Bestsellers.
Nach einem Spaziergang durch den mittelalterlichen Stadtkern besuchte die Gruppe die Phantastische Bibliothek. Im Märchenzimmer wurden Kristina und Alina mit einer kleinen Lesung und einer Ausgabe des „Werther“ von der Gruppe verabschiedet. Sie gehen nach ihrem erfolgreichen Schulabschluss neue Wege, für die wir alles Gute wünschen.