[2023-01-25 DICK] Knapp ein Jahr sind die Schüler aus der Ukraine jetzt bei uns. Fast alle kamen im März 2022 nach Deutschland und wenig später an die Gesamtschule Eiserfeld. Anlass genug, die zurückliegenden Monate Revue passieren zu lassen und zu fragen, wie sie Alltag und Schule hier erleben.
Nachfolgende Aussagen dazu spiegeln die Meinungen und Erfahrungen von Nikita (14), Vasilisa (14), Serhii (15) und Yuri (17) wider, die sich in einem Interview größtenteils in Deutsch, teils in Englisch oder mithilfe des Google Übersetzers äußerten. Bei der Verschriftlichung wurden Satzbau und Grammatik korrigiert.
Wie genau sah dein Weg nach Deutschland aus? Woran erinnerst du dich?
Serhii: Ich bin mit dem Zug von Dnipro nach Lwiw gefahren, dann zur polnischen Grenze. Nach acht Stunden Warten ging es mit dem Bus in die polnische Stadt Przemysi. Es gab so viele Menschen aus der Ukraine dort! Mit einem Minibus sind meine Familie und ich dann abgeholt und nach Sohlbach gebracht worden. Nach einem Versuch in Hamburg Fuß zu fassen, sind wir wieder nach Siegen zurück und schließlich nach Eiserfeld gekommen.
Yuri: Ich hatte etwa den gleichen Weg, bin aber direkt nach Siegen gekommen.
Nikita: Wir sind mit dem privaten PKW durch die Ukraine, dann durch Tschechien und Österreich nach Deutschland, also direkt nach Mudersbach gekommen.
Vasilisa: Bei uns war das genauso. Wir sind dann bei Verwandten untergekommen. Ich habe sie früher schon einmal besucht und kannte die Region schon.
Was hat euch am meisten in Deutschland überrascht?
Serhii: Die Bürokratie! Und dass es hier so schwer ist, einen Arzttermin zu bekommen. Und alles ohne Digitalisierung!
Nikita: Die Häuser hier! Sie sind viel kleiner. In der Ukraine wohnen viele Menschen in Hochhäusern. Ich habe in Mariupol in einem Hochhaus gewohnt.
Vasilisa: Die Mentalität ist anders. Junge Menschen in der Ukraine sind früher erwachsen, verlassen das Elternhaus mit 16, um z.B. zu studieren.
Yuri: Das Essen hier. Brötchen zum Aufbacken kannten wir vorher nicht!
Welche großen Unterschiede seht ihr zwischen unserer Schule und der Schule in der Ukraine?
Serhii: Unsere 9. Klasse entspricht der 10. Klasse hier. Wir schaffen den Unterrichts-stoff schneller. Vieles haben wir schon in unteren Klassen gemacht – das merken wir besonders in Mathematik. Nach der 9. Klasse machen wir schon eine Prüfung.
Vasilisa: Wir sind nach 12 Klassen fertig mit der Schule, früher sogar schon nach Klasse 11. Wir machen das Abitur früher und studieren früher. Das ist besser.
Was viele nicht so genau wissen: Ihr habt parallel Online-Unterricht an eurer ukrainischen Schule. Wie funktioniert das?
Serhii: Ich arbeite abends und nachts online mit der ukrainischen Schule. Es gibt viele Aufgaben, die ich erledigen muss. Die ukrainischen Lehrer stellen alles Wichtige für alle Schüler online. Ich habe auch Video-Chats mit einigen Lehrern. Manchmal arbeite ich bis zwei Uhr nachts online für die Schule oder habe dann auch private Kontakte. Ich muss verschiedene Prüfungen machen. Aber das ist ok.
Für viele ukrainischen Schüler sieht der Schultag ähnlich aus. (Anmerk. der Redaktion)
Nikita: Ich habe nur noch Mathe und Englisch. Das ist wie privater Unterricht.
Wie gelingt euch das Leben zwischen diesen beiden Welten – der Schule hier in Deutschland und der Schule und dem Krieg in der Heimat?
Serhii: Für meine Familie – Mutter, Großeltern und Schwester – ist klar: sie wollen wieder in die Ukraine zurück. Ich bin unsicher …. Ich lebe mit diesen zwei Welten, will Deutsch lernen und eines Tages vielleicht in die USA.
Yuri: Ich kann das trennen. Morgens bis nachmittags die Schule hier, dann die ukrainische Schule.
Vasilisa: Es ist nicht leicht …
Gibt es etwas, was ihr den Deutschen mitteilen möchtet?
Yuri: Verbessert euer Internet, verbessert eure IT! UND: Study for your own benefit – not for marks!
Lernt für euch – nicht nur für die Noten!
Serhii: Regelt das Zusammenleben der Menschen aus den vielen verschiedenen Ländern besser.
Vasilisa: Versucht uns besser zu verstehen.