STRANGERS BECOME FRIENDS. FRIENDS BECOME FAMILY.

Es könnte eigentlich kein passenderes Motto zu unserem Schüleraustausch mit dem Ivan-Trush-Gymnasium im ukrainischen Brody geben.

Der Besuch unserer Schülerinnen und Schüler in der Ukraine brachte nicht nur ein Füllhorn interessanter und spannender Erfahrungen mit sich, sondern vertiefte auch die Freundschaften, die bereits im Juni während des Besuchs der ukrainischen Gruppe in Siegen aufgebaut worden waren. Neben einer Woche in Brody und Umgebung konnten alle bei einer gemeinsamen Reise in die Karpaten die Kultur der Huzulen näher kennenlernen.  

Auch der Lokale Nachrichtensender von Brody berichtete, wie im folgenden Video zu sehen ist:

Insgesamt 13 Schülerinnen und Schüler brachen mit ihren Lehrern Renate Jung und Florian Kraft zu einer Reise in ein Land auf, das sich – obwohl von den Konflikten im Osten und auf der Krim geprägt – als äußerst offen, zukunftsorientiert und vor allem sehr gastfreundlich darstellt. Letzteres offenbarte sich besonders während des Aufenthaltes in den Gastfamilien, in welchen alle nach einer insgesamt 22-stündigen Anreise überaus herzlich aufgenommen wurden. Dass die Chemie dort absolut stimmte, zeigte sich im Verlauf der ersten fünf Tage sehr deutlich – auch, wenn sich neben vielen Gemeinsamkeiten durchaus auch kulturelle Unterschiede auftaten, beispielsweise bei den Mahlzeiten. So war die mitunter recht deftige Kost zum Frühstück für viele genauso Neuland wie das in der Ukraine sehr beliebte Kompott-Getränk, ein Fruchtsaft aus getrockneten und geräucherten Früchten, dessen rauchige Note nicht den Geschmack der deutschen Jugendlichen traf. Dennoch wussten alle die hervorragende Rundum-Versorgung in den Familien und während der Exkursionen sehr zu schätzen.

Direkt am ersten Tag durften wir das Ivan-Trush-Gymnasium bei einem Rundgang sowie in verschiedenen Unterrichtsstunden näher kennen lernen. Wie für einen Montag üblich, begann der Schultag zunächst mit einer allwöchentlich zelebrierten Tradition: Nach dem Aufziehen der ukrainischen Flagge und dem Singen der Nationalhymne empfing die Schulgemeinde den Segen des örtlichen Pfarrers, der dem Gymnasium schon seit langem als Schulpfarrer verbunden ist.

In der darauf folgenden Englischstunde konnten ukrainische und deutsche Schülerinnen und Schüler dann erstmals intensiver ins Gespräch kommen und sich in englischer Sprache u. a. über die Stationen des Lebens in beiden Ländern austauschen – eine methodisch wie inhaltlich sehr gelungene Stunde!

  Nicht weniger interessant war die erste Deutschstunde der ukrainischen Fünftklässer, in der sich unsere Teilnehmer aktiv bei den ersten Sprechübungen einbringen und den „Kleinen“ so unter die Arme greifen durften.

Im weiteren Verlauf der Woche sollten dann weitere Projekte in und um das Ivan-Trush-Gymnasium folgen. So tauchten die Teilnehmer in Biografie und Werke des wohl berühmtesten Absolventen der Schule, den österreichischen Schriftsteller Joseph Roth, ein und begaben sich in Brody auf Spurensuche. Dabei wurden Schauplätze aus dem Werk „Radetzkymarsch“ aufgesucht und dort jeweils vor laufender Kamera eine Textpassage vorgelesen. Die einzelnen Videosequenzen ergaben schließlich ein Gesamtwerk aller Teilnehmer.

Nicht minder interessant war ein künstlerischer Workshop zur Kaffeemalerei – er fand in gemütlicher Atmosphäre im Garten des Klosters Pidhirtsi statt. Die entstandenen Werke konnten sich durchaus sehen lassen.

Neben der Projektarbeit blieb jedoch auch genügend Zeit, die Stadt Brody und ihre Umgebung kennen zu lernen. So wurde neben den Schlössern Pidhirtsi und Olesko auch Lviv (Lemberg), die größte der Stadt der Westukraine, angesteuert. Nach einer Führung durch die zum UNESCO-Welterbe zählende, beeindruckende Altstadt, konnten alle die Innenstadt auf eigene Faust erkunden,  bevor wir im Anschluss in einem nahegelegenen Freilichtmuseum Einblicke in die traditionelle Architektur der westlichen Ukraine erhielten. 

STRANGERS BECOME FRIENDS. FRIENDS BECOME FAMILY – nach fünf Tagen in Brody – die wie im Fluge vergingen – bewahrheitete sich dieses Motto erstmals deutlich. Der Abschied von den Gasteltern gestaltete sich nicht ganz einfach. Ohne diese machte sich die ukrainisch-deutsche Reisegruppe nun auf den Weg in die Karpaten, um dort etwas über die Kultur der Huzulen zu erfahren – ein altes ukrainisches Bergvolk mit einer Reihe interessanter Traditionen. Die Fahrt in die Karpaten dauerte insgesamt nahezu sieben Stunden – die Reisegeschwindigkeit sank mit jedem Kilometer gen Süden proportional zur Qualität der Straßen. Bei unserem Busfahrer war die Gruppe aber gut aufgehoben – mit bemerkenswerter Gelassenheit manövrierte er uns vorsichtig und sicher zum Ziel, die letzten 500 Meter zum Hotel „Villa Maria“ sogar über einen Feldweg! Dieses liegt idyllisch in den karpatischen Bergen nahe der Ortschaft Yablunytsya und wurde – typisch für die Architektur in den Karpaten – mit viel Holz gebaut: Ein ruhiger und heimeliger Ort, an dem die Gruppe weiter zusammenrücken sollte.  Ein benachbartes Holzhaus diente nicht nur als Unterkunft für einige unserer Schülerinnen, sondern auch als gemeinsamer Treffpunkt an den Abenden.

In den Karpaten musste allerdings auch ein großer Temperatursturz hingenommen werden. Statt 25°C und Sonne lagen die Temperaturen nunmehr im Bereich von nasskalten 13-15°C. Dies blieb im weiteren Verlauf leider nicht folgenlos – Halsschmerzen und Schnupfen hatten für einige Tage Hochkonjunktur.

Aus der Ruhe bringen ließ sich davon jedoch keiner. Nachdem wir am ersten Abend durch den Film „Feuerpferde“ – eine huzulische Liebesgeschichte – eingestimmt wurden, konnten wir in den folgenden Tagen tiefer in die huzulische Kultur eintauchen. Neben dem Besuch des Marktes der huzulischen Volkskunst in Yaremche standen besonders die musikalischen Traditionen der Huzulen im Fokus. So konnten in einem nahe gelegenen ethnografischen Museum traditionelle Instrumente wie Trembita (ähnlich einem Alphorn) oder Drymba (eine Bügelmaultrommel) nicht nur bestaunt, sondern auch selbst ausprobiert werden. Die Klänge der Instrumente fügten sich bestens in die umgebende urtümliche Landschaft der Karpaten ein, einige Teilnehmer fanden sich zu einem spontanen Tanz zusammen. Weitere Hintergründe zur huzulischen Musik erfuhren wir am Tag darauf im Museum des Musikinstrumentenbauers Roman Kumlyk in Verchovyna.

Doch nicht nur die Musik erwies sich als charakteristisch für die Kultur der Huzulen – auch die Gestaltung der Trachten steckte voller interessanter Aspekte. Ob Herkunft oder Familienstand – anhand der Kleidung konnte man viel über die jeweilige Person erfahren. Zum Programm gehörte selbstverständlich auch die Anprobe einer solchen Tracht, zwei unserer Teilnehmer durften in die Kleidung eines Brautpaares schlüpfen. Diese wurde wie die meisten Trachten selbstverständlich in Handarbeit gefertigt – ähnlich wie viele weitere Produkte des huzulischen Handwerks. So durfte die Gruppe beispielsweise einer Teppichweberin in Javoriv über die Schulter schauen und dort auch einmal selbst Hand anlegen.

Schließlich führte unsere Rundreise durch die Karpaten zu einem traditionellen huzulischen Hof, der viel über das frühere Leben von Mensch und Tier verrät. Wohnhaus und Stallungen sind durchweg aus Holz errichtet und außen von einem durchgehenden Holzwall zur Abwehr von ungebetenen Gästen (z. B. wilden Tieren) umgeben – so entsteht die so genannte „huzulische Festung“.

Den krönenden Abschluss des Aufenthaltes in den Karpaten sollte nun die Besteigung der Howerla bilden. Die Howerla (2061 m) ist nicht irgendein Berg, sondern nicht weniger als der höchste Gipfel der Ukraine und damit auch von hoher symbolischer Bedeutung für alle Ukrainer. Vorab sei bereits gesagt, dass diese gemeinsame Tour das Gemeinschaftsgefühl noch weiter stärken sollte, schließlich wartete eine wirkliche sportliche Herausforderung auf die Gruppe. 800 Höhenmeter waren auf nicht einmal vier Kilometern zu bewältigen. Dass dies nur auf steilen, sehr steinigen Pfaden möglich sein würde, wurde allen sehr schnell klar. Unsere ukrainischen Kollegen machten uns in ihrer Einweisung deutlich, dass man mit rund vier Stunden Aufstieg rechnen müsse und mahnten dementsprechend zur Eile. So sehr, dass die ersten Teilnehmer schon nach einer halben Stunde kräftig durchpusten mussten.  Sportlicher Ehrgeiz und der unbedingte Wille, den höchsten Gipfel des größten Flächenlandes in Europa zu erreichen, trieben alle aber zunehmend an. Selbst das umschlagende Wetter mit Nebel und starkem Wind tat unserer Motivation keinen Abbruch und so erreichten alle schließlich den Gipfel – nach sage und schreibe 2,5 Stunden! Eine tolle sportliche Leistung aller, die dann mit dem Aufreißen der Wolken und strahlendem Sonnenschein auf dem Gipfel belohnt wurde. Das atemberaubende Panorama auf der Howerla und die zahlreichen gemeinsamen Fotos vor dieser Kulisse wird keiner so schnell vergessen.

Nachdem auch der Abstieg ohne Probleme bewältigt worden war, galt es, die Koffer zu packen und am nächsten Tag die Heimreise anzutreten. Am Rande von Lemberg trennten sich schließlich unsere Wege – während die ukrainische Gruppe nach Brody zurückkehrte, machten sich die GEEler auf den Weg nach Krakau, wo ein Zwischenstopp in Form einer weiteren Übernachtung eingelegt wurde. Nach beinahe zwei Wochen voller gemeinsamer Aktivitäten und prägender Eindrücke fiel der Abschied entsprechend schwer. Man wollte die letzten gemeinsamen Minuten noch einmal intensiv genießen, bevor die zur Eile rufenden Busfahrer schließlich das Ende vorgaben. Dennoch: Alle sind sich sicher, dass die entstanden Freundschaften weiter gepflegt werden, denn es gilt ja: STRANGERS BECOME FRIENDS. FRIENDS BECOME FAMILY.